Reisemedien: Welche Themen jetzt ankommen
Teil 3 unserer Serie "Kommunikation in der Krise": Wir haben drei führende deutsche Reisejournalisten gefragt, wie ihr derzeitiger Arbeitsalltag aussieht, wie eine Zusammenarbeit zwischen Medien und Tourismus funktionieren kann und welche Themen in Zeiten der Corona-Krise besonders gefragt sind.
Die Experten
Martin Fraas: Medienmacher, Buchautor und in seiner aktuellen Funktion Berater der Chefredaktion von SERVUS Deutschland. War davor stv. Chefredakteur des ADAC Reisemagazin und Redakteur für große Lifestyle-Magazine wie Gala, Cosmopolitan, inStyle, Elle und Brigitte. Für das Magazin BUNTE war Fraas in führender Rolle an einem SalzburgerLand-Special beteiligt und ist als passionierter Skifahrer und Kultur-Liebhaber ein treuer Besucher unserer Region.
Klaus Kronsbein: Aktuell verantwortlich für die Reise-Seiten der Berliner Zeitung und des Berliner KURIER. Davor u.a. auch in leitender Funktion in den Reiseressorts von Kölner Express, Kölner Stadt-Anzeiger und Hamburger Morgenpost.
Andrea Buchmann: Chefredakteurin von Land & Berge. Das Reisemagazin erscheint seit zehn Jahren im gesamten deutschsprachigen Raum. Geschichten über Menschen und Regionen, Ausflüge in die Natur, traditionelles Wissen und saisonale Rezepte sind feste Bausteine im Magazin.
Das Interview
Nicht nur die Tourismusbranche kämpft mit den großen Herausforderungen der Corona-Krise, auch die Medien müssen sich neu orientieren. Wie sieht derzeit Ihr Arbeitsalltag aus?
Martin Fraas: Bei SERVUS wurden jegliche Neuproduktionen sehr früh, also bereits vor etwa vier Wochen, vollständig eingestellt. Aus Sicherheitsgründen für die Reporter, Fotografen und auch für potentielle Interviewpartner. Ich weiß auch von befreundeten Reisejournalisten und Fotografen, dass sie derzeit keine Aufträge bekommen und bereits vereinbarte Aufträge kurzfristig storniert wurden. Wann sie wieder arbeiten und Geld verdienen können, ist derzeit nicht absehbar. Eine Vielzahl von Kollegen wird dadurch in existentielle Schwierigkeiten kommen und einige werden versuchen müssen, zumindest kurz- und mittelfristig auf andere Weise Geld zu verdienen.
Klaus Kronsbein: Beim Berliner Kurier und der Berliner Zeitung haben wir die Umfänge verringert und fokussieren unsere Berichterstattung auf Covid-19 in allen Schattierungen. Das betrifft auch die Reise-Seiten. In beiden Zeitungen gibt es weniger Reise-Seiten, da es ja auch weniger Reise-Anzeigen gibt – und es gibt die Reise-Seiten ja nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen der Anzeigen, die gehaltvoll „umspielt“ werden müssen. Und die sind nicht da. Es gibt derzeit natürlich vor allem Service-Themen wie Tipps zu Stornierungen, Umbuchungen, Gutschein-Lösungen, Versicherungen, etc. aber auch Destinationsbeschreibungen. Denn wir sind uns sicher, dass es einen „day after“ gibt.
Andrea Buchmann: Ich selbst bin im Homeoffice, mein Kollege hält in der Redaktion die Stellung. Nachdem wir als kleiner Verlag viel mit Externen zusammenarbeiten, hat sich im Alltag nicht viel geändert. Was die Beiträge im Magazin betrifft: Wir haben beschlossen, eine Corona-freie Zone zu bleiben. Wir glauben, dass die Menschen in dieser schwierigen Zeit auch Inseln brauchen. Natürlich machen auch wir uns Gedanken darüber, welche Themen in der jetzigen Situation „No-Gos“ sind. Sorgen macht uns der Anzeigenrückgang. Wie sich dies auswirken wird, ist noch nicht absehbar. Wir sitzen mit den Urlaubsregionen im gleichen Boot, weshalb wir uns jetzt schon neue Modelle überlegen, wie wir nach der Krise als Partner für die Destinationen interessant sein könnten.
Trotz Krise träumen die Menschen weiterhin von Reisen. „Die wahren Abenteuer sind im Kopf“, hat Andre Heller so treffend gesungen: Wie können Destinationen jetzt die Reisemedien und -journalisten unterstützen, damit ihre Leser gerade in dieser herausfordernden Zeit Inspiration zum Träumen haben.
Andrea Buchmann: Derzeit ist jede Hilfe, die es möglich macht, spannende Geschichten auch vom Schreibtisch aus zu recherchieren, willkommen. Zum Beispiel bereits produzierte Fotos und Hilfe, Ansprechpartner vor Ort zu finden, die man auch mal am Telefon befragen kann. Auch über ganz konkrete Themenideen freuen wir uns. Übrigens haben auch wir uns überlegt, wie wir unsere Partner in dieser Zeit unterstützen können. Wir würden gerne besondere Aktionen oder schöne, zu Herz gehende Geschichten in Zeiten der Krise aktuell auf unseren Social-Media-Kanälen aufgreifen bzw. teilen. Auch schöne Landschafts-Fotos, die wir auf Social Media veröffentlicht können, nehmen wir gerne.
Klaus Kronsbein: Kurzfristige Ereignisse wie Osterferien, erste Tage am Strand, etc. thematisieren wir derzeit nicht. Wir veröffentlichen vor allem Erlebnis-Reisereportagen, die das Fernweh aufrechterhalten. Dazu dienen auch Veröffentlichungen von „Typischem“ aus Reise-Regionen: Rezepte aus Österreich oder von der Nordseeküste oder Erklärungen, wo welche Worte herkommen – z.B. Segeltörn, Jause, Gabelflug oder Gebirgskamm. Ich bleibe gern mit meinen Partnern in Kontakt, um individuelle Lösungen zu finden und gemeinsame Ideen und Themen zu kreieren. Das gilt sicher auch für meine Kollegen.
Martin Fraas: Meine Empfehlung wäre, vorausschauend thematisch konzentrierte Booklets zu kreieren und zu produzieren, mit denen man beizeiten auf die besonderen After-Corona-Möglichkeiten hinweist. Also zum Beispiel Kraftorte, Genussorte, Wohlfühl-Oasen oder Glücksmomentaktivitäten. Denken Sie nach vorne: Was wünschen sich die Menschen nach dem ersten Teil der Corona-Krise? Die verstärkte Möglichkeit zu Alltagsfluchten, den Hinweis auf Oasen, die eine heile Welt bieten und an dem sie wieder zu Kräften kommen, um sich und das Immunsystem stark zu machen für eine eventuelle zweite Corona-Welle im Herbst.
Wie sollte der Dialog zwischen dem SalzburgerLand und seine Regionen mit den Medien jetzt aus Ihrer Sicht aussehen?
Martin Fraas: Das SalzburgerLand sollte sich als eine Region präsentieren, die sich als ideal dafür erweist, auch solche Katastrophen wegzustecken. Denn es gibt hier Traditionen, an denen man sich festhalten kann. Es gibt Brauchtum, das weiterhin dem Leben eine Struktur gibt. Es gibt bäuerliche Betriebe, die schon viele Krisen überstanden haben. Es gibt Kultur – nur ein Beispiel: die Salzburger Festspiele – die über eine schwere Zeit hinwegtrösten kann. Motto: „Das SalzburgerLand hat schon viel erlebt. Und es wird auch nach Corona weiterleben. Und weiterhin lebenswert sein. An dieser positiven Grundeinstellung können auch die Gäste teilhaben.“
Andrea Buchmann: Ein Newsletter mit aktuellen Meldungen, ganz konkreten Geschichten aus den Regionen und schönen Bildern direkt zum Downloaden – so etwas kann die Redaktionen derzeit schon sehr unterstützen.
Klaus Kronsbein: Die nahe und mittelfristige Zukunft des Tourismus basiert meiner Meinung nach auf der noch engeren Zusammenarbeit von Destinationen und Medien, auf der Vermittlung von Sicherheit vor Ort und auf den Themen Familienurlaub, individuelle Gestaltung und Natur. Eingesperrt waren wir jetzt lange genug.
Schon heute zeichnet sich eine Werteverschiebung ab, das „Wir-Gefühl“ und gemeinsame Erlebnisse gewinnen an Bedeutung. Wie wird der Urlaub im Sommer 2020 und darüber hinaus aussehen?
Klaus Kronsbein: Ich glaube, dass die Corona-Quarantäne-Angst zunächst weiter in den Köpfen der Urlauber bleibt. Das heißt: Nahziele, Autoreisen, Ferienwohnungen werden boomen. Denn im Notfall ist man schnell wieder zuhause – und muss nicht stundenlang mit dem Flieger zurück in die Heimat. Im Spätsommer/Herbst 2020 werden Familienreisen boomen, nach den langen Trennungen. Hauptsache, man macht wieder etwas zusammen.
Martin Fraas: Ich glaube ganz nüchtern betrachtet, dass jedes „Wir-Gefühl“ und die Zwangs-Solidarität, die vor allem von den Medien während der Krise propagiert wurde, extrem schnell abebben werden. Bald ist sich jeder wieder selbst der nächste. Ich möchte das gar nicht moralisch werten, aber man sollte sich dessen klar sein und die Konsequenzen mit in die Strategie einbeziehen. Punkten können sicher Destinationen, die eine „heile Welt“ bieten. Und das Thema Wald, das vom SalzburgerLand ja sowieso schon groß gespielt wurde, wird ein noch viel Größeres werden. Die Leute sehnen sich nach einsamen Spaziergängen, und die bekommen sie im Wald. Der Wald wird der Corona-Gewinner!
Andrea Buchmann: Ich persönlich genieße es, dass ich einen Gang runterschalten musste und würde mir das gerne noch eine Weile erhalten. Das Tempo, das wir uns alle angewöhnt haben, ist schon sehr hoch. Das wird mir jetzt ziemlich bewusst. Dass die Zwangs-Entschleunigung etwas Positives hat, höre ich von vielen Seiten. Sich wieder mit Freunden treffen zu können, gemeinsam etwas zu unternehmen, zu feiern und Spaß zu haben – das ist wohl die größte Sehnsucht, die die Menschen derzeit haben. Ich kann mir auch vorstellen, dass nach der Krise die Großeltern in den Fokus rücken, zu denen man den Kontakt regelrecht abbrechen musste. Gleichzeitig ist da ja immer die Angst: hoffentlich passiert Nichts. Gerade in Bezug auf Eltern und Großeltern wird den Menschen vielleicht bewusst, wie wertvoll gemeinsame Zeit sein kann.